Systemlandschaft (Informationstechnik)
Eine Systemlandschaft (oder IT-Systemlandschaft) bezeichnet in der Informationstechnik die Gesamtheit aller informationsverarbeitenden Komponenten innerhalb einer organisatorischen Einheit (z. B. eines Unternehmens oder Behörde). Dazu zählen die eingesetzte Hardware, Anwendungssoftware, die Datenbestände, das Netzwerk sowie die Schnittstellen zwischen diesen Komponenten. Sie bildet die technische Grundlage für die Geschäftsprozesse einer Organisation.
Die Systemlandschaft ist ein konkreter Anwendungsfall des allgemeineren Systembegriffs, der eine Gruppe interagierender oder miteinander in Beziehung stehender Elemente beschreibt, die nach einem Satz von Regeln ein einheitliches Ganzes bilden. Im betrieblichen Kontext ist die Gestaltung der Systemlandschaft ein zentraler Gegenstand der Systemarchitektur und des Systems Engineering, die sich mit der strukturierten Planung, dem Entwurf, der Implementierung und Wartung komplexer Systeme befassen.
Systemlandschaften sind in der Regel historisch gewachsen und weisen daher oft eine heterogene Struktur auf, was zu Herausforderungen wie funktionalen Überschneidungen, Medienbrüchen und einem hohen Aufwand für Integration und Pflege führen kann.
Bestandteile und Ebenen
Eine Systemlandschaft kann in mehrere konzeptionelle Ebenen unterteilt werden, die zusammenwirken:
| Ebene | Beschreibung | Typische Komponenten |
|---|---|---|
| Anwendungsebene | Enthält alle Softwareprogramme, die Geschäftsfunktionen direkt unterstützen. | ERP-Systeme (z. B. SAP), CRM-Systeme, Branchensoftware, Office-Anwendungen, Eigenentwicklungen. |
| Datenebene | Umfasst die persistent gespeicherten Daten und deren Management-Systeme. | Datenbanken (SQL, NoSQL), Data Warehouses, Data Lakes, Dateisysteme, Master-Daten-Management (MDM). |
| Integrations- und Middleware-Ebene | Ermöglicht die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen. | Enterprise Service Bus (ESB), API-Management-Plattformen, Integrationsplattformen als Service (iPaaS). |
| Infrastrukturebene | Bietet die grundlegenden technischen Ressourcen für den Betrieb der Anwendungen. | Server (physisch/virtuell), Rechenzentren, Cloud-Dienste (IaaS, PaaS), Netzwerke, Betriebssysteme. |
Charakteristiken und Ausprägungen
Systemlandschaften lassen sich nach verschiedenen Merkmalen klassifizieren:
| Merkmal | Beschreibung und Ausprägungen |
|---|---|
| Homogenität vs. Heterogenität | Homogen: Geringe Anzahl an Herstellern/Technologien. Heterogen (gewachsen): Vielfalt an Systemen unterschiedlicher Hersteller, Generationen und Technologien, typisch für viele Unternehmen. |
| Integrationsgrad | Integriert: Nahtloser Datenaustausch über standardisierte Schnittstellen (z. B. über ein ERP als Kernsystem). Isoliert („Silos“): Systeme arbeiten abgeschottet, Datenaustausch ist manuell oder gar nicht möglich. |
| Architekturstil | Monolithisch: Große, funktional umfassende Einzelsysteme. Service-orientiert (SOA)/Microservices: Lose gekoppelte, eigenständige Dienste. |
| Bereitstellungsmodell | On-Premises: Systeme laufen auf unternehmenseigenen Servern. Cloud-basiert: Systeme werden als Service bezogen (SaaS, PaaS). Hybrid: Mischform aus beiden Modellen. |
Herausforderungen im Management
Die Verwaltung komplexer, gewachsener Systemlandschaften ist mit erheblichen Herausforderungen verbunden:
- Komplexität und Kosten: Eine heterogene Landschaft mit vielen Schnittstellen ist schwer zu überblicken, teuer in Wartung und Betrieb und behindert eine flexible Anpassung an neue Geschäftsanforderungen.
- Datenqualität und -konsistenz: Daten liegen oft redundant, in unterschiedlichen Formaten und mit abweichender Qualität in verschiedenen Systemen vor („Datensilos“). Dies gefährdet die Entscheidungsgrundlage („Single Source of Truth“) und verursacht hohen Bereinigungsaufwand.
- Integrationsaufwand: Die Verbindung unterschiedlicher Systeme erfordert oft individuelle und pflegeintensive Punkt-zu-Punkt-Schnittstellen.
- Schatten-IT: Um funktionale Lücken zu schließen, entstehen oft nicht offiziell gesteuerte Anwendungen, was Risiken und Komplexität weiter erhöht.
Moderne Gestaltungstrends und -prinzipien
Als Antwort auf diese Herausforderungen haben sich folgende Gestaltungsprinzipien etabliert:
- Konsolidierung und Standardisierung: Reduktion der Systemvielfalt, Harmonisierung von Technologien und Datenmodellen zur Senkung der Komplexität.
- Strategische Ausrichtung (Enterprise Architecture): Die Systemlandschaft wird nicht isoliert, sondern als Teil einer übergreifenden Unternehmensarchitektur (Enterprise Architecture) geplant. Frameworks wie TOGAF oder ArchiMate helfen, die IT systematisch an den Geschäftszielen auszurichten.
- Cloud-Migration und Hybrid-Strategien: Verlagerung von Systemen in die Cloud, um Skalierbarkeit, Flexibilität und Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen. Dabei wird oft eine hybride Architektur angestrebt.
- API-fristige Integration: Ablösung starrer Schnittstellen durch flexible, standardisierte Programmierschnittstellen (APIs), die eine lose Kopplung und einfachere Erweiterbarkeit ermöglichen.
- Fokus auf Datenarchitektur: Gezieltes Design der Datenebene mit Konzepten wie Data Warehouse, Data Lake oder Data Mesh, um eine konsistente, zugängliche und qualitativ hochwertige Datenbasis zu schaffen.
- Automatisierung und AIOps: Einsatz von Automatisierung für Bereitstellung, Monitoring und Wartung (DevOps) sowie Nutzung von Künstlicher Intelligenz für predictive Analytics und Störungsbehebung in der Systemlandschaft.
Zusammenhang mit verwandten Konzepten
- Systemarchitektur: Definiert die konzeptionelle Struktur, das Verhalten und die wesentlichen Bausteine eines einzelnen Systems. Die Systemlandschaft ist die Gesamtheit aller Systemarchitekturen und ihrer Beziehungen.
- Unternehmensarchitektur (Enterprise Architecture): Ein umfassenderer Managementansatz, der Geschäftsstrategie, Geschäftsprozesse, Informationen und die zugrundeliegende Technologie (die Systemlandschaft) in Einklang bringt.
- Systems Engineering: Eine interdisziplinäre Methodik, um erfolgreiche Systeme zu realisieren. Sie liefert Vorgehensmodelle und Werkzeuge für den Entwurf und das Management komplexer Systemlandschaften über ihren gesamten Lebenszyklus.
- IT-Infrastruktur: Bezeichnet eher die hardware-nahen, betrieblichen Komponenten (Netzwerke, Rechenzentren). Sie ist ein Teilaspekt der Systemlandschaft.
Werkzeuge
Für die Dokumentation, Analyse und Planung von Systemlandschaften werden spezielle Werkzeuge eingesetzt. Diese Enterprise-Architecture-Tools (wie z. B. UNICOM System Architect) ermöglichen die Modellierung von Komponenten, ihren Beziehungen und den übergeordneten Geschäftsprozessen nach standardisierten Notationen (z. B. ArchiMate, BPMN). Sie sind essentiell für das Transparenz, die Steuerung und die strategische Weiterentwicklung einer komplexen IT-Landschaft.